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# taz.de -- Urteil gegen Einbecker Neonazis: Haftstrafen nach Anschlag

> Neonazis hatten in Einbeck einen Aschlag auf das Haus einer
> „Seebruecke“-Aktivistin veruebt. Einer der Beschuldigten ist mehrfach
> vorbestraft.

Bild: Am Haus entstand nur Sachschaden: der Briefkasten einer Einbeckerin nach dem Anschlag im Juni

EINBECK taz | Vor dem Einbecker Amtsgericht demonstrieren am Dienstagmorgen
zwei Dutzend Menschen mit Transparenten gegen rechts. Drinnen, im
Verhandlungsaal, verliest die Staatsanwaeltin die Anklageschrift gegen die
Einbecker Neonazis Pascal Z. und Jonas A. Die 26 und 24 Jahre alten
Beschuldigten haben, wie sie spaeter in einer von der Verteidigung
verlesenen Erklaerung gestehen, am 10. Juni dieses Jahres einen nicht
zugelassenen sogenannten „Polenboeller“ gezuendet und in den Briefkasten
einer Frau geworfen, die sich fuer Fluechtlinge einsetzt, unter anderem in
der Initiative „Seebruecke“.

Der Sprengsatz war explodiert und hatte den Briefkasten beschaedigt, Truemmer
wurden mehrere Meter weit in den Wohnbereich geschleudert. Auch die Haustuer
und das Mauerwerk wurden in Mitleidenschaft gezogen. Ein Nachbar alarmierte
die Polizei, er habe an dem gegenueberliegenden Haus eine Explosion mit
einer Rauchwolke wahrgenommen.

Pascal Z. erlitt bei der Explosion Verletzungen an beiden Haenden. Eine
Blutspur fuehrte nach Angaben der Ermittler vom Tatort bis zur wenige
Minuten entfernten Wohnung des 26-Jaehrigen. Eine Hand sei bei Ankunft der
Polizei verbunden gewesen, der Mann habe im Krankenhaus behandelt werden
muessen. Jonas A. wurde in derselben Wohnung festgenommen. Beide Maenner
sitzen seit dem 18. Juni in Untersuchungshaft. Einem dritten Verdaechtigen
konnten die Ermittler eine Tatbeteiligung nicht nachweisen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Celle, die das Verfahren wegen des
offensichtlich politischen Hintergrunds an sich gezogen hatte, warf den
Angeklagten Sachbeschaedigung, versuchte schwere Brandstiftung und versuchte
Herbeifuehrung einer Sprengstoffexplosion vor. Sie haetten beabsichtigt,
einen „groeßtmoeglichen Schaden“ im Gebaeudeinneren durch die Explosion und
einen dadurch entstehenden Brand hervorzurufen.

Das Gericht sah das am Dienstag aehnlich. Die Angeklagten haetten Glueck
gehabt, dass nicht mehr passiert sei, sagte der Vorsitzende Richter. Das
Gericht verurteilte Z. zu zweieinhalb Jahren Gefaengnis. A., der Schmiere
gestanden haben soll, waehrend sein Kumpan den Boeller in den Briefkasten
stopfte, bekam ein Jahr und drei Monate auf Bewaehrung aufgebrummt. Die
Verteidigung hatte Bewaehrungsstrafen fuer beide Beschuldigten gefordert.

Moeglicherweise hat erst eine polizeiliche Panne den Sprengstoffanschlag
ermoeglicht: Bei einer frueheren Durchsuchung bei den Angeklagten hatten
Beamte des niedersaechsischen Landeskriminalamtes Boeller gefunden, die
baugleich mit den beim Anschlag verwendeten waren. Weil der Erwerb zum
Zeitpunkt des Kaufs legal war, hatten die Beamten den Neonazis die
Sprengkoerper wieder ausgehaendigt. Seit 2018 duerfen solche Boeller nicht mehr
gehandelt werden. Fuer Z. besteht seit 2019 zudem ein allgemeines
Waffenbesitzverbot.

Der 26-jaehrige Z. ist bereits mehrfach vorbestraft. Zuletzt war er im
Oktober vom selben Amtsgericht Einbeck zu sieben Monaten Gefaengnis ohne
Bewaehrung verurteilt worden: Wegen Vortaeuschens einer Straftat und wegen
Bedrohung - unter anderem gegen die Frau, die auch Ziel des
Sprengstoffanschlages war und im am Dienstag verhandelten Verfahren als
Nebenklaegerin auftrat. Dieses Urteil vom Oktober ist noch nicht
rechtskraeftig.

Z. und A. sind seit Laengerem in der Einbecker Neonazi-Szene aktiv. Die
rechtsextreme „Kameradschaft Einbeck“ hat sich dabei weitgehend zu einer
Ortsgruppe der Partei „Die Rechte“ gewandelt. Nach Recherchen des
Informationsportals „Blick nach Rechts“ passte der Parteistrategie der
Anschlag in Einbeck aber nicht ins Konzept. „Die Rechte“-Funktionaer Haupt
habe sich vom Anschlag distanziert und verlauten lassen, Z. schade dem
Ansehen der Partei. Haupt attestierte auch Jonas A. „parteischaedigendes
Verhalten“, weshalb er nicht in die Partei aufgenommen werde.

Im vergangenen November hatten Einbecker Rechtsextremisten bei einer
Fuehrung durch die nahe KZ-Gedenkstaette Moringen das Personal provoziert.
Anschließend posierten sie mit nach oben gerichteten Daumen vor der
Gedenkstaette. Die fuer das Foto geoeffneten Jacken gaben den Blick auf
T-Shirts mit dem in Frakturschrift geschriebenen Schriftzug „Zensiert!“
sowie mit der Aufschrift „Fuck you Israel“ und einem durchgestrichenen
Davidstern frei. Fuer die Region - Suedniedersachsen und das benachbarte
thueringische Eichsfeld - listet das Antifaschistische Bildungszentrum und
Archiv Goettingen allein fuer 2019 mehr als 400 rechtsextremistische Vorfaelle
auf.

25 Nov 2020

## AUTOREN

Reimar Paul

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Niedersachsen
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Brandstiftung
Schwerpunkt Rechter Terror

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